Prof. Dr. Simon Nestler
15. April 2024
Digitale Barrierefreiheit ist von zentraler Bedeutung für eine inklusive Gesellschaft, da sie die Zugänglichkeit von digitalen Produkten und Dienstleistungen für alle Menschen sicherstellt, einschließlich derjenigen mit unterschiedlichen Behinderungen. Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen Herausforderungen, die bei der Umsetzung digitaler Barrierefreiheit auftreten, und gibt konkrete Beispiele, wie visuelle, akustische und motorische Barrieren überwunden werden können. Schließlich werden fünf konkrete Handlungsempfehlungen für die Integration digitaler Barrierefreiheit in Entwicklungsprozesse vorgestellt.
Ein häufiger Fall digitaler Barrierefreiheit betrifft Menschen mit Sehbehinderungen. Diese Personen benötigen Technologien wie Screenreader, die Inhalte laut vorlesen. Dazu müssen Websites so gestaltet sein, dass alle Inhalte, einschließlich Bilder und Links, für Screenreader zugänglich sind. Ein unzureichender Kontrast zwischen Text und Hintergrund oder fehlende Alternativtexte für Bilder können erhebliche Barrieren darstellen. Daher müssen Designer*innen sicherstellen, dass alle visuellen Elemente für Menschen mit Sehbehinderungen gut zugänglich sind.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Stellen Sie sich eine Website vor, auf der wichtige Buttons ohne Textlabels und nur durch Farben gekennzeichnet sind. Eine Person mit einer Sehbehinderung könnte diese Buttons nicht erkennen oder bedienen, wenn der Screenreader keine klare Beschreibung der Buttons liefert. Wie Accessiblity Research in der Praxis optimal gelöst werden kann, beschreibt der Blogartikel von Eye Square.
Für Menschen mit Hörbehinderungen stellen akustische Inhalte wie Videos und Podcasts ohne Untertitel oder Transkripte große Hürden dar. Diese Menschen sind darauf angewiesen, dass akustische Inhalte durch textuelle Informationen ergänzt werden. Die Bereitstellung von Untertiteln oder Transkripten für alle audiovisuellen Inhalte ist daher essentiell, um den Zugang zu Informationen zu gewährleisten. ECONSOR bietet einen ein Einblick in die Richtlinien für die barrierefreie Gestaltung von Websites, die auf diese Herausforderungen eingehen.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Ein Webinar ohne Untertitel oder schriftliche Zusammenfassung. Eine Person mit Hörbehinderung könnte die Inhalte des Webinars nicht erfassen, wenn keine alternativen textuellen Informationen bereitgestellt werden.
Menschen mit motorischen Einschränkungen, wie eingeschränkter Handbeweglichkeit, benötigen oft alternative Interaktionsmöglichkeiten mit digitalen Inhalten. Dies kann spezielle Hardware wie alternative Eingabegeräte oder Softwareunterstützung wie Tastaturnavigation umfassen. Wenn ein Interface nur durch Mausaktionen bedient werden kann, ist es für Menschen mit motorischen Einschränkungen nicht zugänglich. eresult hat Methoden entwickelt, um die Zugänglichkeit für die verschiedensten Arten von Interaktionen zu untersuchen.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Eine interaktive Karte, die nur durch Klicken und Ziehen der Maus navigiert werden kann. Eine Person mit motorischen Einschränkungen, die auf Tastatur- oder Sprachsteuerung angewiesen ist, könnte diese Karte nicht nutzen.
Digitale Barrierefreiheit stellt eine bedeutende Herausforderung dar, da sie die Berücksichtigung einer Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse und Anforderungen erfordert. Doch warum ist dies so komplex? Im Folgenden beleuchten wir die zentralen Akteur*innen, die zu gelungener digitaler Barrierefreiheit beitragen können.
Menschen mit Behinderungen bilden keine homogene Gruppe, sondern haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten und Einschränkungen. Diese reichen von Seh- und Hörbehinderungen über motorische Einschränkungen bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen. Diese Diversität bedeutet, dass digitale Produkte und Services unterschiedlichste Bedürfnisse berücksichtigen müssen. Usability.de bietet Methoden, um die vielfältigen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen besser zu verstehen und zu integrieren.
Beispiel: Eine Person mit einer Sehbehinderung benötigt möglicherweise eine Website, die vollständig mit einem Screenreader kompatibel ist. Hingegen könnte eine Person mit einer Hörbehinderung auf gut lesbare Untertitel bei Videos angewiesen sein. Diese unterschiedlichen Anforderungen stellen Designer*innen und Entwickler*innen vor die Herausforderung, ihre Produkte so zu gestalten, dass sie für alle Menschen zugänglich sind.
Um den Bedürfnissen aller Nutzer*innengruppen gerecht zu werden, müssen verschiedene technische Anforderungen erfüllt werden. Dies beinhaltet unter anderem die Barrierefreiheit für Screenreader, ausreichende Kontraste, und die Bereitstellung von Untertiteln. Die Umsetzung dieser Anforderungen erfordert spezifisches Fachwissen und oft den Einsatz spezieller Technologien. Hello Design liefert eine kompakte Übersicht über die technische Komplexität von Accessibility und die Auswirkungen auf das UX Design.
Beispiel: Die Einhaltung der WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) erfordert tiefes Wissen über HTML-Strukturen, ARIA (Accessible Rich Internet Applications), und andere Webtechnologien, um sicherzustellen, dass alle Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, auf Inhalte zugreifen können.
Digitale Barrierefreiheit kann nicht einfach nachträglich hinzugefügt werden. Sie muss von Anfang an in den Designprozess integriert und durchgängig umgesetzt werden. Dies erfordert ein Bewusstsein für Inklusion in allen Projektphasen und im gesamten Team.
Beispiel: Beim Design einer neuen Website sollten Designer*innen von Beginn an sicherstellen, dass alle Navigationselemente auch per Tastatur bedienbar sind. Entwickler*innen sollten sicherstellen, dass alle interaktiven Elemente für Screenreader korrekt gekennzeichnet sind. Dieses integrative Denken muss in der gesamten Organisation verankert sein.
Technologien und Anforderungen ändern sich laufend. Deshalb ist ein kontinuierliches Lernen und Anpassen der Lösungen notwendig. Digitale Barrierefreiheit ist ein fortlaufender Prozess und keine einmalige Aufgabe.
Beispiel: Mit der Einführung neuer Web-Technologien oder der Anpassung von Browser-Standards müssen auch Barrierefreiheitslösungen angepasst werden. Dies könnte bedeuten, dass neue Tools evaluiert oder bestehende Techniken aktualisiert werden müssen, um sicherzustellen, dass sie weiterhin zugänglich bleiben.
Um digitale Produkte und Dienstleistungen wirklich inklusiv zu gestalten, ist es unerlässlich, Barrierefreiheit als fortlaufenden Prozess zu verstehen und in jeder Phase der Entwicklung zu integrieren. Dabei helfen verschiedene Strategien und Maßnahmen, um sicherzustellen, dass alle Nutzer*innen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, gleichermaßen von digitalen Angeboten profitieren können:
Die Herausforderung liegt also darin, nicht nur einzelne Barrieren zu überwinden, sondern die gesamte Vielfalt menschlicher Fähigkeiten und Bedürfnisse zu berücksichtigen und kontinuierlich anzupassen. Ein ganzheitlicher, menschzentrierter Ansatz ist der Schlüssel zu wirklicher digitaler Inklusion. Durch die Integration von Barrierefreiheit in den gesamten Entwicklungsprozess und die ständige Anpassung an neue Technologien und Anforderungen kann eine inklusive digitale Erfahrung für alle Menschen geschaffen werden.
Disclaimer: Auch wir machen in unserem Blog Gebrauch von den spannenden Möglichkeiten, die sich durch künstliche Intelligenz ergeben. Die Idee und die Konzeption der Artikel kommt dabei bei uns weiterhin von Menschen. Und auch die Gestaltung der Infografiken kommt zu hundert Prozent aus menschlicher Feder. Hilfe erhalten wir hingegen beim Referenzieren von weiterführender Literatur, der Ausformulierung unserer Gedanken, der Erstellung der Alternativtexte sowie bei der Erstellung von Einleitung, Zusammenfassung und Fazit. Dabei gilt stets: Was im Artikel gut gelungen ist, kommt vermutlich von der KI (insbesondere von ChatGPT, Perplexity, Midjourney und DALL-E) - Fehler gehen hingegen auch weiterhin auf unsere Kappe. Falls Sie einen Fehler gefunden haben, sind wir dankbar für einen kurzen Hinweis per E-Mail an: webinar@u-ux.de.
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