Prof. Dr. Simon Nestler
27. Mai 2024
Digitale Barrierefreiheit bedeutet nicht nur die Unterstützung von Screenreadern, sondern auch die optimale Funktion von Zoom- und Vergrößerungsoptionen. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen und die Bedeutung der Zoom-Funktion im Webdesign sowie die relevanten Erfolgskriterien der WCAG 2.2.
Ein Blick auf die Skala des Sehvermögens zeigt: Oft ist das Zoomen die wahre UX-Herausforderung. Während Screenreader bei 0% Sehvermögen ihren Job häufig schon recht gut machen, bringt das Vergrößern auf bis zu 400% unser Design oft zum Schwitzen. Für ein barrierefreies Webdesign muss daher nicht nur der Screenreader, sondern auch die Zoom-Funktion optimal unterstützt werden. Denn oft ist der Zoom die größere Herausforderung.
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.2 bieten eine wichtige Grundlage, um diese Herausforderungen zu meistern. Diese Richtlinien enthalten mehrere Erfolgskriterien, die direkt oder indirekt mit der Vergrößerung von Inhalten zu tun haben. Lassen Sie uns einen genaueren Blick auf diese Kriterien werfen und erläutern, warum sie für ein barrierefreies Webdesign von entscheidender Bedeutung sind.
Vergrößerung ohne Verlust: Ein Erfolgskriterium verlangt, dass Text ohne Hilfsmittel (wie z.B. Bildschirmvergrößerungssoftware) bis zu 200% vergrößert werden kann, ohne dass Inhalte oder Funktionalität verloren gehen. Dies stellt sicher, dass Nutzer*innen mit Sehbehinderungen den Text vergrößern können, um ihn besser lesen zu können. Es ist von zentraler Bedeutung, dass das Layout und die Lesbarkeit der Webseite auch bei dieser Vergrößerung erhalten bleiben. WCAG 2.2 beschreibt diese Anforderungen im Detail.
Anpassungsfähige Layouts: Ein anderes Kriterium verlangt, dass Inhalte ohne Verlust von Informationen oder Funktionalität in einem einspaltigen Layout dargestellt werden können, wenn sie auf eine Breite von 320 CSS-Pixeln (entspricht einer typischen mobilen Ansicht) reduziert werden. Dies ist besonders wichtig für Nutzer*innen, die Inhalte stark vergrößern, da es sicherstellt, dass sie nicht horizontal scrollen müssen. Die WCAG 2.2 erklärt die Bedeutung von Reflow für barrierefreie Webseiten.
Lesbarkeit durch hohen Kontrast: Ein weiteres Kriterium stellt sicher, dass der Kontrast zwischen Text und Hintergrund ausreichend ist, um den Text auch bei Vergrößerung gut lesbar zu halten. Ein hoher Kontrast ist besonders wichtig für Nutzer*innen mit Sehbehinderungen. Eine ausreichende Kontrastgestaltung hilft nicht nur bei Vergrößerung, sondern verbessert generell die Lesbarkeit. Mehr dazu in den WCAG 2.2 Erläuterungen.
Flexibilität bei Textabständen: Dieses Kriterium verlangt, dass Nutzer*innen den Zeilenabstand, den Abstand zwischen Absätzen, den Buchstabenabstand und den Wortabstand anpassen können, ohne dass Inhalte oder Funktionalität verloren gehen. Dies kann die Lesbarkeit von vergrößertem Text erheblich verbessern. Flexibilität bei der Textdarstellung ist essentiell für die individuelle Anpassung an Sehbedürfnisse. Die WCAG 2.2 gibt detaillierte Anweisungen zur Anpassung der Textabstände.
Sichtbarkeit des Fokus: Dieses Kriterium stellt sicher, dass der Tastaturfokus immer sichtbar ist. Bei starker Vergrößerung ist es besonders wichtig, dass Nutzer*innen sehen können, welches Element gerade den Fokus hat, um die Navigation zu erleichtern. Eine sichtbare Fokussteuerung unterstützt insbesondere die Navigation für Menschen mit motorischen oder visuellen Einschränkungen. Weitere Informationen dazu bietet die WCAG 2.2.
Bei Fokus: Dieses Kriterium stellt sicher, dass keine unerwarteten Änderungen auftreten, wenn ein Element den Fokus erhält. Dies ist wichtig für Nutzer*innen, die Inhalte vergrößern und möglicherweise Schwierigkeiten haben, unerwartete Änderungen zu erkennen. Weitere Details finden sich in der WCAG 2.2.
Vorhersehbare Eingaben: Dieses Kriterium stellt sicher, dass keine unerwarteten Änderungen auftreten, wenn ein Benutzer ein Formularfeld ausfüllt. Dies ist besonders wichtig bei vergrößerten Ansichten, wo das Navigieren zwischen Formularfeldern schwieriger sein kann. Die WCAG 2.2 bietet hierzu ausführliche Erläuterungen.
Kurzum: Wir müssen sicherstellen, dass nicht nur Screenreader, sondern auch Zoom-Funktionen optimal unterstützt werden. Die praktische Umsetzung der WCAG 2.2 ist dabei ein wichtiger Schritt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, ein wirklich barrierefreies Web zu gestalten, in dem Zoomen nicht zur UX-Herausforderung wird! Wer ist dabei, um diese Herausforderung aktiv zu meistern?
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